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Warten Reifen Touren
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Warten Reifen Touren

Gut, ein bisschen muss ich jetzt wirklich überlegen. Vielleicht sollte ich regelmäßiger was in den Blog schreiben. Es ist Anfang September. Ich bin in der Stadt Urumqi. Gestern Abend bin ich noch spät gelandet. Mein Hotel war okay, der Check-in hat aber wieder ewig gedauert. Sie haben so viele Fragen – sicherlich nicht selbst ausgedacht, sondern durch offizielle Fragebögen vorgegeben.

Die Idee war, mit einem sehr frühen Zug in die Stadt zu fahren, wo mein Motorrad steht, und dort gleich am selben Tag noch den Ölwechsel und den Wechsel der Reifen zu machen. Soweit der Plan. Einerseits hab ich es verbockt, da ich vergessen habe, mein Zugticket vorab zu buchen. Ich bekomme mit Mühe und Not ein Ticket in einem der Regionalzüge (meine Güte, was für eine Kulisse an menschlichen Geräuschen– ein Typ geht beim Einsteigen den Gang entlang und würgt alle paar Sekunden, als würde er sich gleich übergeben) in der Holzklasse um 12:30 Uhr. Ich werde also erst am Nachmittag um 15:00 Uhr bei meinem Motorrad sein. Zeitplan adé.

Andererseits sind fast alle meine bestellten Sachen noch nicht angekommen – darunter auch Teile fürs Motorrad, die ich heute gebraucht hätte. Der Grund dafür ist auch der Grund, warum Wiebke diese Woche so extrem beschäftigt ist: dieses große Gipfeltreffen in China. Und irgendwie wirkt sich dieses Treffen im Osten des Landes auch auf die Sicherheitslage und Logistik im Westen aus. Meine Pakete werden aus nicht nachvollziehbaren Gründen umgeleitet und lagern in Depots. Das einzige, was schnell genug– oder einfach nur ungefährlich genug – war, sind meine Reifen. Motoröl werde ich vermutlich hier vor Ort kaufen können.

Auf der Webseite des Motorradherstellers finde ich einen offiziell empfohlenen Händler/Werkstatt. Max ruft an. Derweil schreibe ich mit Sky. Wie ein Schweizer Taschenmesser scheint er wieder alle Leute in der Stadt zu kennen. Zu meiner Werkstatt meinte er nur, die sei ja am Arsch der Heide (natürlich sagt er das nicht so, aber in der Sprachnachricht kommt das für mich deutlich rüber). Sein Mechaniker wäre nur 1 km vom Hotel entfernt. Ich solle mich unbedingt bei ihm melden– ein total korrekter und guter Mechaniker.

Gesagt, getan: Nach einigen Textnachrichten hin und her fahre ich vorbei, die Reifen um die Hüfte geschlungen. Öl kaufe ich vor Ort. Das Öl und der Ölfilter sind schnell gewechselt, die Reifen dauern ewig. Es ist mir fast peinlich, dass er dafür nur zwölf Euro haben möchte– insgesamt werkelt er an beiden Reifen bestimmt zwei Stunden herum. Die Arbeiten finden vor seinem Laden unter einem Pavillon statt. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass der weiße Typ mit geschorenem Kopf und buschigem Bart nicht lange unbemerkt bleibt. Im Grunde ist es eine ganz witzige Situation, auch wenn die Gespräche irgendwann immer wieder die gleichen sind.

Als das Motorrad endlich fertig ist, ist es 19:30 Uhr. Ich verpasse den Moment, die Frage, ob ich Hunger hätte, irgendwie sinnvoll zu verneinen. Wie denn auch – war ich doch den ganzen Nachmittag vor Ort. Ich kann also schlecht behaupten, ich hätte gerade gegessen und wäre satt. Ein Freund vom Mechaniker fährt mit mir also zum sogenannten Night Market– ein großer Bereich mit vielen Restaurants außen herum und einer sehr großen Fläche im Innenbereich des Platzes mit Sitzmöglichkeiten. Wir essen sehr viel Lammfleisch; gefühlt habe ich irgendwann ein Kilo verdrückt. Der Mechaniker kam auch noch dazu. Er sieht es als seine gastgeberische Pflicht, mich als ausländischen Gast zu betreuen und zu bewirten. Ich darf weder bezahlen noch beim Essen pausieren… 😆.

Völlig satt und zufrieden falle ich abends ins Bett– natürlich nicht, ohne mich vorher ganz herzlich für alles zu bedanken. Ich muss mich wirklich beherrschen, ihm nicht Geld zu senden. Diese bedingungslose Gastfreundschaft wirkt für mich zuweilen immer noch irritierend. Mein Schlafsack ist heute übrigens nicht mehr angekommen. In der kurzen Zeit beim Einschlafen überlege ich noch, was ich morgen den Tag über machen werde.

Neuer Tag, neues Glück. Ich erhalte den Kontakt des lokalen Logistikdepots. Es soll eine Lieferung ankommen– aber erst am späten Nachmittag, gegen 17:00 Uhr. Ich habe also den Tag über Zeit. Während ich noch so überlege, wie ich diesen Tag verbringe, bekomme ich eine Textnachricht: der Mechaniker von gestern. Er nimmt seine Gastgeberpflichten (meines Erachtens hat er ja gar keine) sehr ernst. Ich soll zum Laden kommen, wir gehen was frühstücken. Ich bin noch nicht so weit– mental und physisch. Wir verschieben auf ein Mittagessen. Die Überraschung: es wird das gleiche Essen sein, nur eben zum Mittag.

Die nächste Überraschung hat nichts mit Essen zu tun, sondern ist die Einladung von ihm zu einer Motorradtour am Nachmittag. Er selber fährt nämlich auch– die große Version meines Motorrads mit 800 cm³ und sehr viel Power. Ich freu mich schon riesig auf das Essen und auf die Tour. Manchmal laufen die Dinge einfach.

Das Essen ist wieder extrem fleischlastig– wenn ich noch mehr Lamm esse, werde ich in den nächsten Tagen vermutlich selbst zu einem… 😆. Die Bilder der Tour sprechen vermutlich für sich: Das ist gigantisch. Ein toller Tag. Und er kennt alle Wege. Auf dem Rückweg stoppen wir bei einigen Hirten– Freunde von ihm. An einem der Motorräder der Hirten scheint eine kleine Reparatur nötig zu sein.

Die ethnischen Kasachen sind so dermaßen froh über meinen Besuch, dass sie direkt ein Lamm schlachten wollen. Das ist eine lustige Bande– sie wirken wie recht professionelle Alkoholiker, sind aber wirklich sehr nette und, dem ersten Anschein nach, liebenswerte Typen. Wir sollen über Nacht bleiben– wir könnten ordentlich essen und ordentlich trinken. Ich kann leider nicht, da ich einen Video-Call mit Deutschland um 20:00 Uhr habe.

Ich werde den Abend noch lange darüber nachdenken, was das für ein intensiver Tag war und was ich heute eigentlich alles erlebt habe.

Die ersten beiden Videos hat der Mechaniker einige Tage nach meiner Abreise geschickt. Er hat sich offensichtlich sehr viel Arbeit damit gemacht, sie zu schneiden. Ich finde das total toll!! Die anderen Videos sind recht roh– schaut sie oder schaut sie nicht 😛.


On the RoadDo., 04.09.
Strecke 120 km (blau)
Zeit insgesamt7 h 43 min
Ø-Geschwindigkeit16 km/h
Höhenmeter bergauf3.576 m
Höhenmeter bergab3.726 m
Höchster Punkt2.542 m
Tiefster Punkt862 m
Höhenprofil

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