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Bier und Burger als gute Ratgeber
Bier und Burger als gute Ratgeber

Bier und Burger als gute Ratgeber

Vorab: Clemens hat seine Kamera dabei und knipst wie wild. Ich bin von den vielen schönen Bildern ganz begeistert – danke, Clemens! 

Aus einer „Bierlaune“ heraus schreibe ich den Jungs vom Offroad Club in Lijiang: „Hallo, wir überlegen übermorgen zu euch zu kommen. Habt ihr zwei Maschinen zur Vermietung da?“

Beim Bierchen und Burger zusammengesessen haben Wiebke, ihr Kollege Clemens und ich. Clemens fährt seit langem auf der Strasse Motorrad und ist super motiviert, hier in China die eine oder andere Kurve zu räubern. Da das aber eh immer mit sehr hoher Sicherheitsreserve passiert- es kann ja jederzeit alles aus allen Richtungen auf einen zukommen- will er seine Offroad-Fähigkeiten testen. Aus der fixen Idee beim Abendessen wird schnell eine Flugbuchung. Am Zielort im Taxi überlegen wir noch wohin und wo entlang, fassen aber doch recht schnell den Entschluss, einen Roadtrip zu machen – na ja, zumindest sind wir uns über die erste Etappe im Klaren. Nach Shangri-La soll es gehen.

Ein bisschen ungewohnt ist es schon, mit Gepäck auf dem Motorrad zu fahren. Das habe ich, glaube ich, seit 2015 oder so nicht mehr gemacht. Die 450er Reiseenduro wird dadurch jedenfalls nicht handlicher – ist sie doch wegen des vollen 20-Liter-Tanks ohnehin schon recht kopflastig.

Wir genießen fast jeden der knapp 200 Kilometer, während wir in den Norden gondeln. In den Tälern ist es sehr warm – wir haben bestimmt schon 27 Grad. Weiter oben geht ein leichtes Lüftchen. Insgesamt ist es eine sehr schöne Strecke, und wir haben wirklich bestes Wetter!

Die Straße verläuft in immer größere Höhen. Man muss wirklich bedenken, dass man in Lijiang bereits auf 2.400 Metern liegt und am Ende bei gut 3.300 Metern übernachten wird. Etwa 30 Kilometer vor dem Ziel buchen wir per App ein kleines Hotel – 19 Euro pro Person im eigenen großen Zimmer. Tibetisches Frühstück inklusive – das heißt: Tee mit Yakmilch und viel Salz, Eier und eine Art Pfannkuchen.

Nach unserer Ankunft wollen wir unbedingt noch etwas essen. Auch ein paar Liter Flüssigkeit können nicht schaden – Höhe und Hitze haben ganz schön an den Reserven gezerrt. Wir starten mit Wasser. Viel Wasser. Dann trinken wir beim Essen zwei Bier – und sind so schnell und so knallevoll wie selten zuvor. Empfehle ich keinem! In der Höhe ist das für den Schlaf und den nächsten Tag ein Killer.

Ich merke die Höhe aber nicht nur beim Alkohol. Ich bin merklich kurzatmig. Meine Sportuhr meldet am Morgen, eine niedrige Sauerstoffsättigung im Blut über Nacht. Die erste Nacht ohne Akklimatisierung ist für den Körper echte Schwerstarbeit.

Das kleine graue Kätzchen, das im Grunde aussieht wie Martini und genauso verschmust ist, schnappt sich beim Frühstück gleich Clemens. Dem gefällt das genauso gut. Was uns beiden weniger gefällt, ist der Regen seit dem frühen Morgen. Laut Wetter-App soll es auch noch bis in den Nachmittag hinein stetig so weitergehen.

Als wir dann so beim Yak-Tee unsere Optionen abwägen, wird der Regen nach und nach schwächer, und wir beschließen, in der Region zu bleiben und ein paar Kilometer Offroad zu fahren. Per App und Satellitenbild ist schnell eine Strecke identifiziert. Als Plan B wollen wir einfach über das weitläufige Grasland südlich des Napa-Sees fahren. Plan B wird schneller aktiviert als gedacht: Unser Track in das verschlafene Tal wird rasch extrem steil, und der teils lehmige Boden macht das Ganze zu keinem Spaß.

Bei erster Gelegenheit fahren wir also mit Schwung von der Straße ab und cruisen über die weitläufigen Wiesen– vorbei an Yaks und Rindern. Nur ein Wasserlauf mit einer sehr wacklig und instabil wirkenden Brücke gibt uns zu denken. Vermutlich hält sie unser Gewicht und das der Motorräder locker aus, aber die Balken liegen grob und quer zur Fahrtrichtung. Wenn beim Überfahren etwas schiefläuft, dann richtig – und dann geht’s ins Wasser.

Plötzlich steht ein Hirte bei uns – er kam aus einer unscheinbar wirkenden Hütte – und sagt uns, das sei alles kein Problem. Erstaunlicherweise kommen noch ein paar mehr Menschen aus der Hütte und wollen natürlich zusehen. Vielleicht stellen wir uns ja wirklich dumm an. Alle sind sehr nett und interessiert. Ich schiebe die Böcke dann mit Motorunterstützung im ersten Gang über die gröbsten Stellen.

Erst als wir drüber sind, sehen wir die zweite Brücke 🙄… Wir lamentieren noch ein wenig herum, da kommt ein „Kumpel“ der Hüttengang mit seiner Mofa und fährt ohne Zögern über den Bretterverschlag. Jetzt ist die Sache ja irgendwie beschlossen – Gesichtsverlust können wir uns nun wirklich nicht erlauben. Also fahren wir beide an, stehen auf (macht man im Gelände so) und zirkeln die Maschinen mit ein bisschen Schwung über die quer liegenden Balken. Der Hirte hatte recht – alles kein Problem!

Auf der Karte entdecken wir ein nettes Café und fahren hin. Nach der kleinen Pause drehen wir noch mehrere Runden im Grasland, um dann zu einem vielversprechenden Tal weiter östlich aufzubrechen – für noch mehr Offroad-Spektakel.

Das Tal stellt sich als AAAAA-Touri Park heraus. Wir dürfen natürlich nicht mit den Mopeds rein und zischen ab. Offroad soll es dennoch sein. Also fahren neben dem Fluss auf den Wiesen über Stock und Stein. In den kleinen Wäldern neben dem Fluss sind ständig irgendwelche Pferde, Rinder und Yaks. Wir müssen wirklich aufpassen. Auch liegt hier wirklich viel Müll rum – bestimmt sehen wir 30 einzelne alte Schuhe (ohne Füsse drin…).

Irgendwann scheint der Spaß vorbei – Wiese und Fluss verlaufen zur Hauptstraße. Doch aus dem Augenwinkel sehen wir eine kleine, schmale Brücke. So schmal, dass sie maximal für den Viehtrieb gedacht sein kann. Wir können nicht widerstehen und folgen dem Weg. Ganz schön ruppig geht’s zur Sache – mit ordentlich Steigung! Ich mache mir zwischendurch Sorgen um Clemens hinter mir, aber der zieht einfach durch. Sauber – seine Lernkurve ist mindestens so steil wie das Gelände!

An einer Schranke wollen wir schon umdrehen, doch der freundliche „Wächter“ gibt mir zu verstehen, dass eine schriftliche Registrierung reicht. Er sagt noch irgendetwas, das ich nicht verstehe – manchmal klingt es wie „kommt aber zurück …“ oder so ähnlich. Wir zahlen ihm noch schnell seine „inoffizielle“ Gebühr von 4,50  Euro pro Bike und machen uns auf den Weg.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir weitergefahren wären, hätten wir gewusst, was noch kommt. Der Weg führt durch märchenhafte Wälder und bietet stellenweise spektakuläre Ausblicke. Was er aber wirklich in jeder Variante hat, ist leicht feuchter Boden mit tiefen, von Geländewagen ausgefahrenen Spurrillen. Wem das nicht genügt – kein Problem! Das Ganze ist auch noch super steil und mit einigen ordentlichen Spitzkehren garniert. Irgendwann kommt uns mittendrin ein Hardcore-Geländewagen entgegen – dessen Fahrer staunt nicht schlecht 😆…

Als wir endlich „oben“ sind, weitet sich das Gelände, und der Weg wird zu einer recht neuen, gut befahrbaren Schotterpiste. Am Horizont sehen wir allerdings Regen– also wollen wir den lehmigen Aufstieg auf keinen Fall für den Abstieg nutzen. Laut GPS sind es nur 15 Kilometer bis zur nächsten Straße. Dass mein Tank im letzten Viertel ist und es nur noch eineinhalb Stunden bis Sonnenuntergang sind– alles nicht so schlimm … dachten wir. Ach ja: Handyempfang gab’s dort schon lange nicht mehr. Die Piste ignoriert dann allerdings sämtliche bekannten GPS-Tracks, und aus „mal eben 15 Kilometern“ werden gute 30! Es regnet, es wird kalt, und wir zweifeln – alles in Echtzeit über Helmfunk. Landschaft, Panorama und Strecke sind allerdings atemberaubend. Toll!

Stimmen im Helm (👈🏻 klicken)

Jahrzehntelang habe ich mich gegen eine Gegensprechanlage im Helm gewehrt. Meiner Meinung nach ist Motorradfahren eines der schönsten Hobbys, weil man tagsüber meist für sich die Dinge genießen kann und abends ordentlich über das Erlebte zu labern hat – einfach ein guter Mix. Zugeben muss ich allerdings auch, dass es immer wieder zu komischen und risikoreichen Situationen kam, wenn man mit Händen und Füßen, Blinkern und Helm versucht, dem anderen Menschen auf dem Bike während der Fahrt klarzumachen, was man gerade von ihm möchte. Mal ganz zu schweigen von den Wendemanövern bei verpassten Abzweigungen … 🙄

Wir kaufen vom chinesischen Marktführer das Top-Modell. Es kann über diverse Gruppenmitglieder hinweg eine Verbindung aufbauen und benötigt dafür weder Handy noch Internet. Nutzt man allerdings Letzteres, wird quasi ein Gruppenanruf gestartet, bei dem sowohl die Anzahl der Teilnehmenden als auch die Distanz zwischen ihnen irrelevant wird – Internet- oder Mobilfunkverbindung vorausgesetzt. Wir haben keine Ahnung wie das praktisch funktionieren soll…

In einer der Ortsdurchfahrten dann haben wir plötzlich zwei weitere Stimmen in der Gruppe und starten den Versuch einer Unterhaltung. Sie meinen, uns zu sehen. Ich meine, zwei weitere Motorräder weiter hinten zu erkennen. Das ist ja ganz nett, aber Bock haben wir darauf nicht – und deshalb schmeißen wir die blinden Passagiere aus dem Gespräch. Weiter im Streckenverlauf machen wir Rast, und es kommen besagte Mopeds angefahren. Ich laber sie voll. Sie sind superinteressiert, aber an eine irgendwie geartete Unterhaltung per Funk kann sich keiner erinnern. Es bleibt also ungeklärt, mit wem wir gequatscht haben.

Das habe ich beinahe vergessen. So ganz ohne chinesischen Straßen-Stress geht es dann doch nicht zu Ende. Auf unserem Rückweg über eine gut ausgebaute, zweispurige Straße fahren wir gerade in einer leichten Linksbiegung auf der linken Spur – unsere Sicht nach vorn, um die Kurve herum, ist somit eingeschränkt. Clemens fährt voraus und ist glücklicherweise hellwach, denn plötzlich kommt uns ein Geisterfahrer entgegen!! Was für ein Schreck – und potenziell brandgefährlich. Die Einzigen, die sich jedoch darüber aufregen, scheinen mal wieder nur wir zu sein. Allen anderen scheint das Teil der ganz normalen Straßenkür zu sein. Noch einmal gut gegangen…

Das sagt übrigens die KI zum Motorradfahren im Gelände nachdem ich sie mit diesem Text gefüttert habe 😆:

„Wer mit dem Motorrad reist, bewegt nicht nur den Körper – sondern auch den Geist. Ohne Ziel, ohne Plan, nur dem Horizont entgegen. Jeder Tropfen Regen, jeder Sonnenaufgang, jede Schotterpiste erzählt eine Geschichte.“

Unbekannt (aus der Welt des Staubes und der Freiheit)

Laut Auskunft meines Bekannten in Lijiang haben wir eine der schönsten Regionen im Hinterland von Shangri-La entdeckt. Ob wir Bären gesehen hätten, fragte er noch … 🙄


On the RoadSo., 11.Mo., 12.04.
Strecke 202 km (blau)145 km (grün)
Zeit insgesamt8 h 50 min10 h 51 min
Zeit in Bewegung6 h 43 min6 h 43 min
Ø-Geschwindigkeit30 km/h22 km/h
Höhenmeter bergauf3.016 m2.165 m
Höhenmeter bergab2.016 m2.168 m
Höchster Punkt3.339 m4.100 m (😱)
Tiefster Punkt1.821 m3.265 m (🙄)
HöhenprofilHöhenprofil

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