Die Nacht war kurz. Ich bin mehrmals zitternd aufgewacht und musste eine Mischung aus Sit-ups und Liegestütze machen, um wieder warm zu werden. Am Ende lag ich mit all meinen Klamotten angezogen im Schlafsack, die Motorradjacke als zusätzliche Decke oben drüber. Zwischendurch dachte ich sogar daran, die Rettungsdecke aus meinem Erste-Hilfe-Set zu benutzen.
Camping ist ohne einen besseren Schlafsack erst einmal gestrichen. Auch für die Tour in Qinghai mit Clemens hat das wohl Konsequenzen.
Zur Einordnung: Qinghai liegt größtenteils auf dem Tibet-Qinghai-Plateau, einem Teil des „Dachs der Welt“, dessen durchschnittliche Höhe oft mit über 4.500 m angegeben wird. Da Qinghai jedoch auch Täler und tiefere Gebiete umfasst, liegt der Durchschnitt über die gesamte Provinz betrachtet etwas niedriger –bei etwa 3.000 m. Egal wie man rechnet: Es wird kalt. Und es ist fraglich, ob die Ausrüstung auch nur im Ansatz ausreichen wird.
Heute reicht der heiße Kaffee. Und die aufgehende Sonne bringt schnell Wärme.





Heute muss ich als erstes Sprit kaufen – der Tank ist leer. Und da wird’s ernsthaft nervig. Ich nehm’s mal vorweg: so nervig, dass ich kurz überlege, einfach wieder aus der Provinz zu verschwinden.
Benzin in Xinjiang kaufen (👈🏻 hier klicken)
Habe ich mich neulich noch darüber gewundert, dass dem mir helfenden Pärchen nur zwei Liter verkauft wurden, weil man Missbrauch befürchtet – so wird es hier einfach skurril. Ohne Ausweis mit Gesichtserkennung kommt niemand überhaupt aufs Tankstellengelände. Dann muss an der konkreten Zapfsäule erneut der Ausweis gescannt werden, um die Pumpe zu aktivieren. Der Kauf mit Zeit, Kraftstofftyp und Menge wird also vollständig technisch erfasst.
Jetzt ratet mal, wie gut das alles auf deutsche Reisepässe ausgelegt ist.
Die erste Tankstelle, die ich mit behutsamen Bewegungen des Gasgriffs ansteuere, lässt erst gar keine Diskussionen zu. Mein Reisepass ist auch nicht das Problem – mein Motorrad ist es. Zu gefährlich, oder was auch immer. So überflüssig, Mann.
Zweite Tankstelle – zum Glück geht’s bergab. Zwei Wachmänner sitzen davor. Ernsthaft: wie „Dick und Doof“. Kein „Hallo“, kein Bock auf Trouble. Ganz schlechtes Verständnis von Mandarin. Erst als sie merken, dass ich nicht verschwinde, geben sie mir mürrisch zu verstehen, ich müsse zur Polizei. Wenn die ein Okay geben, dürfte ich auf das Tankstellengelände. Wohl gemerkt: Dann habe ich immer noch keinen Ausweis, um die Zapfsäule zu aktivieren.
Ich stelle also das Motorrad ab – aus dem Tank kommt nur noch ein Echo – und gehe bei mittlerweile knapp 30 Grad zu Fuß zur Polizeistation. Das ist nicht ganz so tragisch, wie man jetzt meinen könnte, es sind nur 300 Meter. Warm ist es dennoch.
Die Türen sind verschlossen. Und drinnen ist niemand zu sehen. Ich gehe auf den angeschlossenen Hof. Das Gebell eines Hundes lockt einen Mann vor die Tür. Ich frage, ob er wisse, wann denn jemand bei der Polizei sei. Er kommt kurzerhand mit und klopft verhetzt an der Tür der Wache.
Irgendwann zeigt sich ein Vertreter des Gesetzes. Und kommt kurzerhand mit zur Tanke. Den freundlichen Nachbarn aus dem Hinterhof bittet er ebenfalls mitzukommen – er soll aber seinen Ausweis mitbringen. Für die Zapfsäule.
Zu dritt erreichen wir also Dick und Doof. Die beiden und der Polizist erst mal so nach dem Motto: Handschlag-Begrüßung – „Wie lange hast du gestern noch gemacht, Bruder?“ Generell scheinen alle den Polizisten besser zu kennen. Denn alle begrüßen ihn herzlich und schnacken ein paar Worte.
Nebenbei wird mein Moped betankt – alle drei Tanks, voll bis zum Rand. Ich will so selten wie möglich in diese Situation kommen.
Dick und Doof wurden danach quasi zu Fanboys und wollten alles Mögliche wissen und Fotos machen. Ich hab kurz an ein Nein zur Frage gedacht – aber Nachtreten finde ich auch nicht sportlich.
Trotzdem stellt sich die Frage: Wie easy kann man hier eigentlich unabhängig reisen? Bzw. wie hoch ist das Risiko, ohne Sprit zu stranden?
Heute, beim Schreiben dieser Zeilen, denke ich: Egal. Einfach durchziehen.
Den Tag über war ich völlig spaßbefreit. Bei einem Telefonat hat Wiebkes pragmatische Perspektive aus der Distanz geholfen. 😘
Nach einem Schlenker am See vorbei geht es los – schließlich sind heute noch ein paar Kilometer zu fressen. Oft genug fahre ich einfach neben der eigentlichen Straße auf alten Pisten.
Auf dem Weg zu meinem hoffentlich warmen Hotelzimmer tanke ich noch einmal. Die Wache am Tor versteht das Problem nicht und geht kurzerhand – mit meinem Reisepass – drinnen fragen. Ich hasse es, wenn jemand mit dem Pass ungefragt verschwindet. Ohne Pass biste im Ausland niemand!
Der Tankwart kommt mit raus. Supernetter, junger Kerl. Wir schreiben die wichtigsten Infos in eine Papierliste – aha, so einfach geht das im Zweifel – und los geht’s. Sehr herzlich.
Plötzlich ist wieder großes Kino: Kinder wollen Bilder, Erwachsene heißen mich als Deutschen willkommen. Alle sind Uiguren und weisen mich auch direkt darauf hin.
Wenn Tanken zu einem wirklich positiven Erlebnis wird. Ich bin froh, geblieben und weiter in den Westen gefahren zu sein.
Das Mädel an der Hotelrezeption checkt mich in sage und schreibe 35 Minuten in ihren Computer ein… Währenddessen werde ich von den auf den Check-in wartenden Familien interviewt. Man ist nie allein – aber man hat auch nie seine Ruhe. 😆
Mein Essen ist regional typisch fleischlastig, und ich habe viel zu viel bestellt. „Es sind kleine Portionen“, hieß es. Super lecker.
































Wieder ungefiltert und unbearbeitet – Videos für Fanboys and Fangirls 😜.
On the Road | So., 10.08. |
---|---|
Strecke | 274 km (blau) |
Zeit insgesamt | 8 h 25 min |
Zeit in Bewegung | |
Ø-Geschwindigkeit | 33 km/h |
Höhenmeter bergauf | 3.220 m |
Höhenmeter bergab | 2.276 m |
Höchster Punkt | 3.087 m |
Tiefster Punkt | 363 m |
Stationen in der Region
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.