Vorbei die schönen Tage mit lockerem Stadtleben – Kaffee hier, Snack dort und leckeres Abendessen. Alle Werkzeuge, die ich zwischenzeitlich bestellt hatte, sind angekommen und am Motorrad verstaut. Ich habe mir zusätzlich noch eine Helmhalterung für die GoPro besorgt, da ich noch mal darauf hingewiesen wurde, wie wichtig es sei, im etwaigen Schadensfall der Versicherung Videomaterial bereitstellen zu können. Naja – und vielleicht werden die Bilder ja auch so ganz gut.
Mein kleiner Plastik-Teelöffel hat nun endgültig den Löffel abgegeben. Im Supermarkt gegenüber kaufe ich noch schnell Ersatz.


Das Motorrad ist bepackt, und ich mache mich auf den Weg. In Lanzhou und auch in der Umgebung in westlicher Richtung ist für die kommende Woche weiterhin viel Regen vorhergesagt, und es gibt Warnungen hinsichtlich sogenannter „natürlicher Ereignisse“. Gemeint sind damit regenbedingte Folgen wie zum Beispiel Überschwemmungen und Erdrutsche. Weder in den Regen noch in die potenziellen Folgen will ich hineingeraten.
Ich habe mir auf der Karte eine schöne Route herausgesucht, die erst einmal in den Norden führt und dann in den Westen. Damit bin ich auch wieder auf meinem grundsätzlichen Kurs. Beim Blättern durch die Karten-App und dem Blick auf die Satellitenbilder komme ich nicht umhin, diese kleine Straße in einem bestimmten Abschnitt zu bemerken. Natürlich fahre ich hinein. Natürlich fahre ich auch durch die ersten Abschnitte mit wirklich schlechten Straßenverhältnissen.
Fahrtechnisch ist es okay. Was das mit meinem Zeitplan anrichtet, wenn man nur sehr langsam vorankommt, ist nicht zu komplex für mich zu verstehen. Es sind viel mehr andere Prioritäten die mein Kopf setzt, wenn ich eine schöne Offroad-Strecke fahre… 🤪
An einem Punkt der Strecke, wo es definitiv sehr viel Zeit kosten würde, wieder umzudrehen, haben die Regenfälle tiefen, weichen, lehmigen Schlamm auf den Weg gespült. Die Schicht ist ungefähr knöcheltief und bietet so ziemlich gar keine Stabilität beim Fahren. Ich und das Motorrad sehen aus, als hätten wir den Töpferkurs ruiniert. Ich quäle mich hindurch, bin froh, dass ich es ohne Ganzkörperschlammpackung geschafft habe, und freue mich über den Asphalt.
Im weiteren Verlauf ist dieses kleine Tal bildhübsch. Die Felsen haben diese markante, typisch farbige Schichtung, wie sie in dieser Region oft zu sehen ist. Auch sehe ich hin und wieder kleine Hinweisschildchen und denke noch so: Das sieht ja aus wie in einem Naturpark…
Nach ca. 40 km kommt eine Straßensperre. Ich passe aber rechts daran vorbei. Prompt kommt ein ziviler Wachmann angelaufen. Einer dieser unfreundlichen Sorte. Er hat auch keinen Bock auf Ausländer.
Wir diskutieren. Ich bitte um Hilfe (weil die Straße dahinten so schlecht wäre und es nur gesundheitliche Schäden durch einen Sturz nach sich ziehen würde). Er bleibt bei seiner Meinung – er will mich nicht durchfahren lassen. Auch mein Hinweis darauf, dass da vorne immer wieder kleine Busse entlangfahren, lässt er nicht gelten: Dort sind Touristen, es ist ein geschlossener Park. Ich habe dort nichts verloren. Völlig unverständlich, bin ich doch auf einer öffentlichen Straße hierhergekommen.
Ich schaue immer wieder verstohlen auf seine Uniform – er ist wirklich nur ein ziviler Wachmann. Meine Geduld ist vollends aufgebraucht. Die Straße ist nagelneu, es gibt Gehwege, und es fahren Busse. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum ich der Straße nicht vorsichtig fahrend folgen sollte, die im Übrigen auch vom Navi, einer chinesischen App, empfohlen wird.
Ich sage: „Ja, ja“, gebe ihm zu verstehen, dass ich da vorne nur wenden möchte, ziehe mich an und fahre langsam los. Er riecht den Braten und stellt sich vor mich hin. Der Motor läuft, der Gang ist drin – also rolle ich weiter…
Er greift mir in den Arm, so dass das ganze Fahren sehr instabil wird – es droht mir ein Sturz. Ich halte an, brülle ihn an, dass er das gefälligst lassen soll. Ich bin deutlich größer, und in den Motorradklamotten mit Helm bleibt die Wirkung nicht aus.
Er stellt sich in das Bild der Verkehrskamera und bedeutet mir, ich möge doch nur kommen – alles würde aufgezeichnet werden. Seine Schritte zur Seite ins Kamerabild nutze ich aus und fahre wieder an – haha. Er kommt angesprungen, greift mir in den Lenker und versucht, den Schlüssel zu klauen. Diese Art von Diskussion führt er definitiv nicht zum ersten Mal.
Er verlegt sich darauf, mich zu filmen – mir mittlerweile egal. Ich habe ihm so viele Brücken gebaut. Ich habe ihm gesagt, er möge seinen Chef anrufen – ich würde alles erklären. Ich habe ihn gebeten, eine Nummer meiner Freunde anzurufen, um zu übersetzen. Er hat sich nur aufgeregt, dass die Ausländer immer nur sagen würden: „Ich nix verstehen.“
Ich fahre also – mit eingeschaltetem Warnblinklicht – los. Der Park ist wirklich ganz nett. Am Ende wartet ein Kollege von ihm mit Schranke unten. Ich rolle heran, mache den Motor frühzeitig aus und gebe ihm zu verstehen, dass mir das alles sehr leid täte, und er möge auch seinem Kollegen sagen, dass es mir auch ihm gegenüber leid täte – er hätte mich nur nicht verstehen wollen. Irgendetwas brabbelt er vor sich hin, öffnet die Schranke und gib mir zu verstehen, dass ich losfahren soll.
YIN & YANG – mal schauen, ob da noch etwas nachkommt. Aber ich denke, ich habe mein aus einem gewissen Blickwinkel vermutlich potenziell vorhandenes Fehlverhalten mit der ausgiebigen Entschuldigung wettgemacht.
Ich fahre noch ein wenig weiter, sodass ich irgendwie auf eine ansehnliche Fahrstrecke heute komme. Schließlich muss ich irgendwann ja doch einmal an der Distanz arbeiten. Sogar meine erste Polizeikontrolle erlebe ich auf dem Motorrad. Mein Licht wäre zu hell. Ich möge das doch bitte ausmachen. Die Autofahrer wären geblendet. Ich erkläre ihm und seinen beiden Kolleginnen, dass das Motorrad dies automatisch macht. Und ich nichts tun kann. Dafür stelle ich das Menü auf chinesische Sprache um. Nach kurzen Blick auf meine Papiere darf ich weiterfahren. 
Irgendwann ist die Luft aber komplett raus. Ich buche mir ein Hotel – mit dem einsetzenden Regen ist an Weiterfahren nicht zu denken. Essen bestelle ich mir aufs Zimmer. Nicht alles, was ich bekomme, entspricht meiner Bestellung… 😝 Es ist aber dennoch lecker.










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Ich habe die Dinger ja schon öfter erwähnt – meine Knieorthesen. Wegdiskutieren kann man die potenziellen Risiken des Motorradfahrens nun mal nicht. Im Gelände reduziert sich das auch nicht gerade. Insofern kann man nur tun, was man tun kann – und schützt sich bestmöglich.
Hier mal eine kleine Bilderreihe für den Schutz der unteren Extremitäten… die Dinger am Knie schützen das Knie – insbesondere vor dem Überstrecken, dem Biegen, zur Seite und zu einem gewissen Teil auch dem Verdrehen. Daher hatte ich bei dem Absatz zum Fahren in der Wüste aufgeschrieben, dass ich die besser hätte festziehen sollen.




Haha, als ich am nächsten Morgen los möchte, sehe ich mein Motorrad – schön mit einer Plane abgedeckt. Selbst das Schlüsselloch ist mit einem Klebeband vor eindringendem Wasser geschützt. Ich bedanke mich freundlich bei dem Wachmann für die Initiative. Eigentlich hatte ich gehofft, dass der gröbste Dreck über Nacht beim Regen abgespült wird…
Die erste halbe Stunde wirkt die Landschaft zwar wunderschön, aber alles ist sehr grau und trübe. Ein Teil trägt dazu natürlich auch meine Motorradbrille bei, die eher bei hellem Sonnenschein funktioniert als im Dämmerlicht. Dennoch – die Wolken hängen tief in der Landschaft, grau bis teilweise schwarz. Hätte ich gewusst, was mich heute noch erwartet, hätte ich mich über all das sehr gefreut.
Hier in dieser Provinz dürfen Motorräder nicht auf die Autobahn. Man schickt mich am Mauthäusschen weg. Ich muss daher auf der Quasi-Bundesstraße fahren. Diese führt natürlich – anders als die Autobahn – auch mal einen Berg hinauf. Was passiert also, wenn man den Kopf in die Wolken hält – oder besser gesagt: mit dem ganzen Motorrad hindurchfährt? Man wird nass. So richtig nass. Im Tal danach hatte ich noch mal Gelegenheit, ein wenig abzutrocknen, und die weitere Fahrt hat regelrecht Spaß gemacht.
Wohlgemerkt: landschaftlich ist es eine Augenweide.
Über mehrere Kilometer wird die Straße instandgesetzt, so dass alle eine Schotterpiste in sehr schlechtem Zustand fahren müssen. Alle fahren Schritttempo – nur ich kann schneller. Haha.
Später, wieder auf der regulären Straße, setzt Regen ein. Die Bilder sind von der GoPro aufgezeichnet. Wer noch nie im Regen Motorrad gefahren ist, soll sich bitte das als Basis vorstellen – und dann noch eine beschlagene Scheibe, durch die man hindurchschaut. Denn Brille und Visier beschlagen bei jedem Atemzug.
Irgendwann ist die Jacke durchgeweicht. Und hier zeigt sich wieder, dass Wind kein Freund ist. Sind die Klamotten erstmal nass, ist jeder Windzug kalt. Es wird den ganzen Tag nicht kälter als 18 °C – aber ich friere bis zum Zittern auf dem Motorrad.
Bei alldem darf man in der Konzentration nicht nachlassen, denn alles um einen herum – und auch die Straße – wird bei Regen nicht sicherer. Ja, ich bin dem Anschein nach zu doof, mir eine Regenkombi zu kaufen – ich weigere mich den Regen zu akzeptieren 🙄.
Irgendwann, bei einer Pinkelpause, schaue ich auf dem Handy nach Hotels in der Nähe. 24 km – gebucht. Heiße Dusche, Kaffee, und noch schnell was essen. Dann lege ich mich aufs Bett.































On the Road | Mi., 06.08. | Do., 07.08. |
---|---|---|
Strecke | 188 km (blau) | 293 km (grün) |
Zeit insgesamt | 8 h 43 min | 5 h 25 min |
Zeit in Bewegung | ||
Ø-Geschwindigkeit | 44 km/h | 53 km/h |
Höhenmeter bergauf | 1.848 m | 1.524 m |
Höhenmeter bergab | 1.013 m | 2.428 m |
Höchster Punkt | 2.321 m | 2.924 m |
Tiefster Punkt | 1.461 m | 1.549 m |
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