Reisen Unternehmungen Berichte
Früher frühstücken scheint die Lösung zu sein
Früher frühstücken scheint die Lösung zu sein

Früher frühstücken scheint die Lösung zu sein

Beim Reisen einfach treiben und den Strömungen folgen – das passt schon. Um Pläne zu haben, die länger als bis zum Frühstück des nächsten Tages halten, müsste ich vermutlich sehr früh frühstücken 😆.

Sky schreibt mir, sie wären – ich nenne es jetzt mal: aufgrund von Gründen – sehr viel weiter in die Berge gefahren als ursprünglich geplant. Ich müsste heute also gute 500 km fahren, um morgen ein paar Stunden mit ihnen durch die Wälder zu ziehen. Das mache ich nicht.

Ich verlege mich stattdessen darauf, zu organisieren, wo ich für meine 14-tägige Abwesenheit das Motorrad parken kann. Das sei kein Problem, sagt Sky (sein Wort in seinen Ohren…). Unweit meiner aktuellen Position, etwa 100 km entfernt, haben sie ihr Basislager in einem Hostel eingerichtet. Dort kann ich übernachten, Taschen und Ausrüstung hinterlegen und mein Motorrad für die notwendige Zeit parken. Wir vereinbaren, uns dort morgen zu treffen.

Langsam werden mir seine vielen Planänderungen suspekt – und natürlich projiziere ich das auch auf die mögliche Tour in die Stan-Länder. Nun gut, bis dahin fließt noch viel Wasser den Gelben Fluss hinunter…

Ich habe heute deutlich mehr Zeit und lasse es langsam angehen. Vorne im Shop bzw. an der Rezeption des Campingplatzes empfiehlt man mir einen großen Stausee. Er soll sehr schön gelegen sein – mit tiefblauem Wasser, eingebettet in eine Schlucht. Ich schaue es mir auf der Karte an und finde im Satellitenbild auch diverse kleine Wege, die unbefestigt aussehen. Der Plan steht.

Wenn ich ein wenig Zeit hätte, bin ich herzlich eingeladen, mir das Museum anzusehen. Die Ausstellungsstücke zeigen Gemälde mit einem unfassbaren Detailgrad – Wimpern, Haare, das Fell der Tiere sind mit tausenden, extrem feinen Pinselstrichen auf die Leinwand gebracht. Einige der mehrere Meter breiten Darstellungen wurden über viele Jahre hinweg angefertigt. Es ist wirklich beeindruckend. Eintritt bezahlen darf ich natürlich nicht.

Bevor ich mich allerdings ins Gebirge begebe, suche ich die nächste Tankstelle auf. Die alte Leier. Ich habe fast schon immer ein bisschen Angst vor Tankvorgängen – weil es wirklich nervig ist, wenn es nicht klappt. Ganz im Gegenteil dieses mal: An der Schranke scheucht mich der Wachmann regelrecht aufs Gelände und kommt direkt mit zur Zapfsäule. Ich fasse mal kurz zusammen: Alle freuen sich, mich zu sehen – ich freue mich, dass sie sich freuen. Mein Motorrad wird bis zum Rand vollgetankt. Die gute Frau ganz rechts auf dem Bild ist ein Vollprofi. Heute findet tatsächlich der erste Tankvorgang statt, bei dem kein einziger Tropfen Benzin auf meiner Ausrüstung, irgendwo am Motorrad oder auf dem Boden landet. Ich bin immer wieder überwältigt von so viel menschlicher Wärme und Herzlichkeit.

Auf meinem Weg zum Staudamm komme ich nur langsam voran – ich fahre links in die Berge, rechts in die Wiesen, und wieder links in die Berge. Es ist einfach nur schön. Und das Motorrad ist dafür die perfekte Maschine: leicht, mit genügend Leistung und einem sehr guten Fahrwerk mit viel Sicherheitsreserven.

Als ich im Schatten einer Baumgruppe pausiere und gerade beim Bildermachen bin, fällt mein Blick immer wieder auf den Hinterreifen. Ich habe zwar jetzt alle Werkzeuge dabei, aber so komplett abgelegen habe ich keine Lust, provisorisch einen Schlauch zu wechseln – und genau das droht mir. Der Reifen wirkt irgendwie schlaff.

Wie von der Tarantel gestochen, streife ich mir den Helm über und fahre (im sicheren Limit) sehr schnell zurück zur Straße. Ich überlege kurz, einfach zum Campingplatz zurückzufahren – in einem Museum mit viel altem technischen Gerät wird man ja wohl auch Werkzeug haben…

Während ich da so rumstehe, verändert sich am Reifen erst einmal gar nichts. Vermutlich liegt es einfach an der höheren Gewichtsbelastung: 15 Liter Benzin unter dem Sitz und bestimmt wieder 25 kg Gepäck. Ich beschließe, weiterzufahren. Und werde es nicht bereuen. Der Reifen hält.

Der Staudamm ist wieder eine typische chinesische Attraktion – mit Schaukeln direkt am Rand der Schlucht, einer Seilbahn über den Damm hinweg und sehr vielen Menschen. Ich denke mir, nachdem ich dran vorbeigefahren bin, dass ich das wichtigste gesehen habe. Gucke noch einmal ein bisschen in der Gegend herum und fahre dann wieder Richtung Campingplatz – das war so aber nicht ganz entschieden. Man weiß ja nie, wo man landet. An der Rezeption hatte ich gesagt, ich reise erst mal ab – komme aber vielleicht wieder.

Auf dem Weg überhole ich zwei Jungs auf einem zum Straßenrenner umgebauten Elektrofahrrad. Der Kleine ohne Helm, der Größere mit – die beiden sehen so richtig lustig aus. Sie geben mir zu verstehen, dass ich doch bitte mal ein Wheelie machen soll. Safety first – das lass ich lieber… aber ich geb mal so richtig Gas.

Als ich kurz ein Foto mache, holen sie mich ein. Sie sind total begeistert und reden auf mich ein. Ich nehme meinen Helm ab und unterhalte mich ein wenig mit ihnen. Sie sind auch von Deutschland sehr begeistert, kennen diverse Automarken – und finden das alles sehr, sehr aufregend.

Am Fluss stelle ich das Motorrad im Schatten einiger Bäume ab, hole meinen Campingstuhl aus dem Gepäck – ich habe schließlich alles dabei. Man weiß ja nie, wo man landet und was passiert. Ich möchte kurz meine Füße und die Stiefel lüften und dabei ein Nickerchen halten.

Wie so oft in China: Wenn man denkt, man sei am einsamsten Ort des Landes – erscheinen plötzlich Chinesen. Hier gleich zwei Autos. Die Gruppe steigt aus und setzt sich im Grunde um mich herum auf ihre mitgebrachten Campingmöbel. Schatten ist heiß begehrt. Offensichtlich.

Soweit ich sie verstehe, steht mein Motorrad wohl an ihrem Stammplatz – sie wohnen oben am Dorf. Egal, was ich verstehe – sie nehmen sich auf jeden Fall das Vorrecht heraus, genau dort zu sitzen. Ich bekomme provinztypisches Brot mit Sesam gereicht und gigantische Stücke Wassermelone aus ihrem eigenen Garten. Im Grunde eine sehr nette Situation. Nur mein Nickerchen fehlt mir ein bisschen…

Irgendwann ziehe ich meine Stiefel wieder an und fahre weiter. Dann haben alle (ich *g) ihre Ruhe. Ich freue mich schon auf mein Nickerchen auf dem Campingplatz.

Auf meinem Weg zurück zur Straße muss ich diese eine fiese, steile Rampe wieder hinauffahren – bestehend aus lauter runden, faustgroßen Kieselsteinen. Runter bin ich da noch locker gekommen… jetzt also wieder hoch.

Ich denke mir: Ich mach mal ein Hero-Video. Alles, was ich dabei aufnehme, ist allerdings, wie ich bei ganz, ganz niedriger Geschwindigkeit den Halt verliere – und das eigentlich sehr agile, aber mit Gepäck und Benzin doch ziemlich schwere Motorrad auf die Seite lege. Die Videos seht ihr unten – from Hero to Zero 😆!

Weder mir noch der Maschine ist irgendwas passiert. Aber ich muss ordentlich an meine körperlichen Grenzen gehen, um das Bike wieder aufzurichten. Es liegt nämlich am Hang, und ich muss gegen die Schräge heben.

Ich ziehe und zerre so lange am Vorderrad herum, bis die Maschine auf den Steinen etwas wegrutscht und in eine bessere Position kommt. Anstrengend bleibt es trotzdem.

Das Ergebnis – im dritten Video dokumentiert. Hahaha.

Ich sitze also später wieder an meinem Zelt und denke: Jetzt mache ich mein Nickerchen. Da kommt ein Herr mittleren Alters an – und macht schon von weitem Fotos von mir. Ich frage ihn, was denn sein Auftrag sei. Er stellt sich mir als der Museumsdirektor vor. Wir führen eine ganz nette, aber doch irgendwie auch offiziell angehauchte Unterhaltung. Zwischendurch fragt er mich, ob er Videos und Fotos machen dürfe.

Ich habe das Gefühl, unser Gespräch ist jetzt Teil irgendeiner kleinen Propagandamaschine fürs Museum geworden. Wieder kein Nickerchen.

Ich hab schon regelrecht Angst vor dem Abendessen – und schreibe ihm sowie den anderen Angestellten, dass wir jetzt wirklich genug Bildmaterial gesammelt hätten. Ich bitte darum, beim Essen auf weitere Aufnahmen zu verzichten. Mal schauen, ob das funktioniert.

Als ich an meinem Tisch sitze, steht dort schon eine große Flasche besonders guter Baijiu. Dabei wollte ich heute eigentlich gar nichts trinken. Ansonsten lässt man mich in Ruhe – meine Nachricht hat wohl gewirkt.

Das Essen ist lecker. Die Köchin und der nette Trinker von gestern sind auch wieder da und setzen sich mit an den Tisch. Ich bekomme viel zu viel Essen und will mit meinem sympathischen Sauf-Buddy teilen – aber er lehnt ab. Der Schnaps schmeckt auch ganz okay.

Ich entschuldige mich für die Nacht, nehme das halbe Glas mit zum Zelt, wo ich später aus Versehen vergessen werde, es auszutrinken… Ich hoffe, man sieht es mir nach.


On the RoadDi., 12.08.
Strecke 112 km (blau)
Zeit insgesamt
Zeit in Bewegung4 h 30 min
Ø-Geschwindigkeit25 km/h
Höhenmeter bergauf1.308 m
Höhenmeter bergab1.222 m
Höchster Punkt1.075 m
Tiefster Punkt526 m

Stationen in der Region

Schreibe einen Kommentar