Der Mingyong-Gletscher ist einer der tiefstgelegenen und längsten Gletscher Chinas. Er bewegt sich mit 500 Metern pro Jahr und ist damit einer der am schnellsten abfließenden Gletscher weltweit. Seine Fläche erstreckt sich über ca. 3,2 Quadratkilometer und reicht von einer Höhe von etwa 4.680 Metern bis zu seinem Auslass bei etwa 2.700 Metern. Unsere Erwartungshaltung ist also hoch! Da es sich hier um eine AAAA-Sehenswürdigkeit handelt, müssen (nicht dürfen) wir Treppen und weitere Infrastruktur am Berg erwarten. Mittlerweile nieselt es nur noch leicht und wir entscheiden, nach dem Frühstück loszugehen.
Was sagt die KI zu AAAAA-Sehenswürdigkeiten? Es gibt ein Rating-System für Sehenswürdigkeiten in China, das sie in Kategorien von A bis AAAAA klassifiziert. Die Kategorie A ist die niedrigste Kategorie, während AAAAA die höchste Kategorie ist, die nur für die bekanntesten und spektakulärsten Sehenswürdigkeiten reserviert ist. Das Rating-System für Sehenswürdigkeiten in China berücksichtigt viele Faktoren, um die Qualität der Infrastruktur, Annehmlichkeiten und Bequemlichkeit zu bewerten. Einige der wichtigsten Faktoren sind: Zugänglichkeit, Einrichtungen, Service, Sicherheit, Sauberkeit, Landschaft und Umgebung, historische und kulturelle Bedeutung.
Mit Müslischale in der Hand beobachten wir so manch illustres Treiben. Da ist einerseits der riesige, von einer Menschentraube umgebene Tieflader-Sattelschlepper bei uns direkt auf dem Parkplatz und liefert Unmengen Grünzeug – wie ist der die Straßen herauf und durch das Dorf gekommen und was machen die mit dem Zeug? Und dann sind da andererseits die kleinen Reisebusse mit Touris!! Wir befürchten, dass wir uns oben mit anderen die Füße platt stehen. Je mehr A’s ein Ort nämlich hat, desto mehr Leute sind meist da – und „mehr Leute“ kann zuweilen apokalyptische Züge annehmen, die wir so nicht gewohnt sind und an die wir uns auch nicht gewöhnen wollen. Ganz nebenbei sehen wir, dass die vermeintlich jahrelang geschlossene Touristen-Information geöffnet hat (🤷🏼♂️), Tickets verkauft und die Touristen in Golfwagen verlädt, um sie den halben Berg nach oben karren zu lassen. Bequemlichkeiten einer AAAA-Sehenswürdigkeit halt…
Wir gehen den ganzen Weg zu Fuß, werden hin und wieder von besagten Golfwagen überholt, aber genießen davon mal abgesehen die Ruhe und die Natur. Wir wundern uns allerdings schon über die massiven Schäden durch Steinschläge im Wald an den Lawinen-Schutznetzen. Auch die Strasse und die Leitplanken haben einiges abbekommen! Ja, Leitplanken. Man will augenscheinlich folgende Schlagzeile vermeiden: „Golfwagen mit 20 Personen in Schlucht gestürzt!“. In Summe überholen uns nur fünf, teilweise besetzte Wägelchen. Die Menschenmassen bleiben also aus.








An der Haltestelle auf halber Höhe müssen dann alle per pedes weiter. Die meisten chinesischen Touristen werden vermutlich gar nicht bis zur letzten (vierten) Plattform gehen, da hier bestimmt 200 Höhenmeter Treppen zu erklimmen sind. Zu unbequem. Übrigens kommen viele der Touris ohne ausreichende Zeit zur Akklimatisierung in die Region. Ausgeglichen wird das durch kleine Sauerstoff-Sprühdosen (so groß wie eine Haarspraydose), aus denen dann über einen Trichter vor der Nase hin und wieder geatmet werden kann. So bleiben Symptome der Höhenkrankheit aus. Ausprobiert haben wir das nicht.
Ähm, wegen der Treppen und so… Ich erlaube mir die rhetorische Frage: was stimmt nicht mit den Leuten?! Seit Aktualisierung unseres Reiseführers vor fünf Jahren hat man dem schmelzenden Gletscher folgend vier Aussichtsplattformen mit einer unfassbar hässlichen Treppen-Konstruktion in den Berg gebaut. Schlimmer als die Bausünde an sich ist allerdings der Zustand der Konstruktionen. Da dem Anschein nach weinger Besucher dem AAAA-Rating gefolgt sind als gehofft, wirkt es so als wären die Kassen leer und niemand repariert hier die Schäden. Man leitet die Touristen lediglich auf den nebenherlaufenden Wanderweg um. Dieser Wanderweg verbindet nach wie vor zwei buddhistische Klöster und ist eigentlich traumhaft- wenn da die Treppen nicht die Aussicht versperren würden. Nun gut, das musste mal raus und komplettiert sicherlich den Absatz eines der vorherigen Beiträge über den Bauwahn.








Als wir dann das erste mal den Gletscher sehen, vergessen wir all das und sind tief berührt und überwältigt. Die Luft ist immer wieder von einem Rumpeln und Krachen stürzenden Eises und Gerölls erfüllt. Das mit einer schwarzen Schicht aus Staub und Geröll bedeckte kantige Eis fließt eine quasi senkrechte Scharte im Fels herunter und erweckt dabei einen gewaltigen, beinahe mystischen Eindruck. Als würde sich dort ein Drache in der Sonne ausruhen. So stelle ich mir das zumindest vor – nicht, dass ich je einen in der Sonne gesehen hätte. Vom hochgelegenen Plateau leuchtet weiß und hell das blanke Eis. Ach ja, und dann stehen da noch die Klostergebäude mit ihren in der Sonne hell strahlenden goldfarbenen Dächern. Die Einladung der Mönche zum Tee und Essen lehnen wir mit viel Bemühen um Höflichkeit ab.











































Zurück gehen wir den alten, sich durch den Wald schlängelnden Wanderweg und fahren später mit dem Auto noch ein wenig weiter, bis sich uns eine Aussichtspunkt über dem Mekong-Tal mit Blick auf den Kawagarbo (ca. 6.700 Meter hoch) quasi als Stellplatz für die Nacht „aufdrängt“. Ein Tag mit unvergesslichen tiefbewegenden Eindrücken. Wir sind natürlich nicht alleine am Stellplatz und landen auch auf dem ein oder anderen Bild 🤪.


























Roadtrip-Statistik:
Montag, 17.04. | ||
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Strecke | 16,18 km (wandern) | 26 km (Abends/Auto) |
Zeit insgesamt | 5 h 34 min | |
Zeit in Bewegung | 4 h 22 min | 1 h 7 min |
Ø-Geschwindigkeit | 20:16 min/km | 23 km/h |
Höhenmeter bergauf | 943 m | 1.099 m |
Höhenmeter bergab | 940 m | 300 m |
Höchster Punkt | 3.168 m | 3.116 m |
Tiefster Punkt | 2.275 m | 2.050 m |
Höhenprofil GPS = blau | Höhenprofil GPS = braun |
Jetzt kommt da nach 1000 Tagen endlich mal wieder jemand zum Essen vorbei und ihr lehnt ab. Das gehört sich doch so nicht. Von dieser Reise nach Beijing zurückzukommen ist doch ein Schock, oder?
Wegen der abgelehnten Einladung hatte ich auch ein büschn‘ schlechtes Gewissen…
Es ist weniger Schock wegen der Rückkehr. Mehr Fernweh, weil man sich grundsätzlich vorstellen könnte, noch sehr lange so durch die Gegend zu tingeln 🤠.
Ohhhhh ja das glaube ich. Aber jetzt wo du den Führerschein hast , könnt ihr jederzeit an solche Orte zurückkehren.